Medizinalcannabis soll in Deutschland heimisch werden

Falk Altenhöfer
5 min readApr 8, 2021

Dass Hanf nicht nur eine unscheinbare Pflanze ist, muss ich den lesenden Personen nicht mehr erklären. Neben der Nutzung als wertvoller Rohstoff für Textilien oder Baustoffe, hat die Pflanze ein großes Potenzial als Arzneimittel. Um die Grundlagen zur Erzeugung von Medizinalhanf in Deutschland zu schaffen, wurde das von der Universität Hohenheim koordinierte Netzwerk CANNABIS-NET ins Leben gerufen. Dieses kooperiert auch mit dem Cannabis-Startups Accelerator, welcher auch von der BioPro, einer Landesvertretung die unteranderem vom Land getragen wird mit dem Ziel GründerInnen zu unterstützen.

Ziel ist es mehr über die klimatische Bedingungen der Pflanze raus zu finden, um bestimmte Anwendungsfelder ausfindig zu machen: Aus den Fasern lassen sich unter anderem Textilien, Baustoffe oder Heizmaterial herstellen, die Samen werden für Lebensmittel wie Öl, Proteinpulver und Müsli-Körner oder auch für Körperpflegeprodukte genutzt.

Cannabis für personalisierte medizinische Therapien

Für die medizinische Nutzung ist jedoch nicht einzig und allein THC als Inhaltsstoff interessant. Hier spielen in zahlreichen Anwendungen als auch anderen Cannabinoide wie CBD (Cannabidiol), CBG (Cannabigerol), CBC (Cannabichromen), CBN (Cannabinol) eine Rolle. Für die Gewinnung medizinischer Produkte können daher auch Medizinalhanfgenetiken von hohem Interesse sein, die äußerst geringe THC-Mengen unter 0,2 Prozent enthalten, dafür aber jede Menge Phytocannabinoide, denen eine medizinische Wirkung nachgesagt wird. „In entsprechenden phytocannabinoidreichen Genetiken, den sogenannten PCR- Genetiken sind 10 bis 20 Prozent dieser Cannabinoide enthalten“, erklärt Prof. Dr. agr. Simone Graeff-Hönninger, Agrarwissenschaftlerin an der Universität Hohenheim und Expertin für Medizinalhanf. „Dazu auch noch jede Menge Terpene und Flavonoide, die sich auch für medizinische Anwendungen eignen können.“

Die therapeutischen Anwendungsgebiete für Medizinalcannabis sind vielfältig und reichen derzeit von Unterstützung der Heilung von Entzündungsprozessen oder Schmerzen bis hin zur Eindämmung von Epilepsie und Rheuma oder Asthma. „Wir wissen, dass es mehr als 100 verschiedene Cannabinoide in der Hanfpflanze gibt, in Summe weit über 500 medizinisch wirksame Bestandteile“, sagt Graeff-Hönninger, Schirmherrin des Cannabis-Net. „Dabei wird die Wirkung durch das Zusammenspiel aller Bestandteile — dem sogenannten Entourage-Effekt — gemeinsam erzielt. Und genau das ist der Unterschied zum klassischen Medikament mit nur einem einzigen Wirkstoff. Beim Hanf kann das aber dann zur Folge haben, dass eine bestimmte Kombination bei einem Patienten sehr gut wirkt, bei einem anderen aber nicht. Die Ursache liegt in den individuellen Unterschieden im Endocannabinoid-System des Menschen. Und hier wird uns die Cannabismedizin in der Zukunft auch hinführen: zur Möglichkeit einer individuellen Behandlung — also zu personalisierter Medizin. “Beispielsweise könnte man folglich bestimmte Cannabisgenetiken gezielt für einen Patienten auswählen oder auch ganz individuell Mischungen von Extrakten für den Einzelnen erstellen. Darin liegt meiner Meinung nach ein enormes Potenzial der Cannabismedizin.“ sagt Altenhöfer, der mit der mehr GründerInnen in die Industrie ziehen möchte: Zu neuartigen Therapiemöglichkeiten und Anwendungen von Medizinalhanf wird in Deutschland zwar geforscht, beispielsweise an der Ludwigs-Maximilians-Universität München oder der Berliner Humboldt-Universität, Arzneimittel deutscher Unternehmen gibt es aber derzeit noch keine.

Grundlagen schaffen für den Anbau von Medizinalcannabis für GründerInnen

Über den positiven Nutzen von Hanfanbau und -zucht unter kontrollierten Bedingungen sollten also keine Zweifel mehr bestehen. Allerdings wurde in Deutschland aufgrund des jahrzehntelangen strikten Verbots zur Cannabisnutzung das medizinische Potenzial bis heute vernachlässigt und nicht ausreichend erforscht. Aus diesem Grund wurde im September 2020 das von Falk Altenhöfer koordinierte Startup-Programm welches sich mit der Genetik der Samen bis hin zur fertigen Darreichungsform beschäftigt in Kooperation mit der BioPro, der Uni Hochenheim und dem CANNABIS-NET ins Leben gerufen wurde. Hier arbeiten internationalen Netzwerkpartner daran, die Grundlagen zur Erzeugung von Medizinalhanf — phytocannabinoidreichem (PCR) Hanf — in Deutschland zu schaffen. „Unsere Vision ist es, den Cannabismarkt hier bei uns überhaupt erst einmal zu etablieren und ihn für regulier- und klassifierzierbar als auch nachhaltig zu machen. Somit soll alt eingesessenen Pharmakonzernen der ersten Weg zu eine gesundheitsfördernde Selbstmedikation geebenet werden, um folglich den Sprung von einem Naturprodukt zum gleichbleibenden Pharmaprodukt zu bewältigen.“ sagt Initiator Falk Altenhöfer.

Forschung und Entwicklung werden streng kontrolliert

Das neu aufgesetzte Programm für GründerInnen soll vor allem die wissenschaftliche Forschung und Menschen zusammen bringen die etwas eigenes aufbauen möchten und in einer neuen Industrie Fuß fassen möchten.

Das Netzwerk setzt sich aus fünf deutschen Firmen, die die komplette Wertschöpfungskette von Cannabis abbilden und Möglichkeiten bilden für GründerInnen einfach Fuß zu fassen.

GründerInnen brauchen Zugang zum Rohstoff und Technologie

Generell sind die Auflagen für Arbeiten mit Hanfpflanzen hoch. „In Deutschland gibt es nur einige wenige Lizenzen dafür, die nur alle paar Jahre in Vergabe-Runden zugeteilt werden. Das heißt, es ist sehr schwer an Lizenzen zu kommen um das eigene Produkt direkt am Rohstoff zu testen. So ist es auch nicht erstaunlich das jedes Partnerunternehmen nicht eine eigene Lizenz besitzt, weshalb eine gut koordinierte Zusammenarbeit mit der Universität stattfinden muss, die eine Lizenz besitzt“, berichtet der Prof. Simone Graeff-Hönninger. „Aber auch bei uns finden natürlich regelmäßige Kontrollen statt. Es werden nur Pflanzen bestimmter Genetiken mit einem THC-Gehalt unter 0,2 Prozent im Gewächshaus erstmal angebaut. Das heißt, neue Technologien müssen unter strengen Auflagen bei uns auf dem Universitätsgelände getestet werden.”

Ziele des Programmes für Gründer

Das neu aufgelegte Programm für GründerInnen soll vor allem Menschen mit einer ersten Idee als Anlaufpunkt dienen schnell den Zugang zu Wissenschaft und Mentoring zu bekommen. Der andere Schwerpunkt des Gründerinnen-Programms sind die Entwicklungsarbeiten liegt beispielsweise auf der Gewährleistung medizinischer Standards. „Als Naturprodukt können die Inhaltsstoffe natürlich von Pflanze zu Pflanze variieren“, sagt Altenhöfer. „Für medizinische Produkte brauchen wir aber eine einheitliche, hohe Qualität, die man mit Standardisierungsmaßnahmen nach den bei uns gültigen GMP-Richtlinien sicherstellen muss.“ Aber auch weitere Themen wie Zucht und Anbau, Genetiken oder die Automatisierung der Pflanzenverarbeitung werden im Cannabis-Startups Programm erforscht und entwickelt. “Wir hoffen das nun einige GründerInnen aus dem Bundesland Baden-Württemberg die geografische Nähe nutzen und das Programm als Sprungbett in die Industrie und Wissenschaft nutzen werden!”

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Falk Altenhöfer

I write for Product-Makers in the Cannabis Industry and beyond. I like society and tech. I write in german.